Deutschland muss seinen Status als attraktiver Forschungsstandort mit exzellenter Forschungssoftware bewahren
27.11.2025
Willkommen zum sechsten und damit letzten Beitrag unserer Serie, die sich mit der Zukunft der Forschungssoftware in Deutschland auseinandersetzt. In jeder Folge präsentieren wir Stellungnahmen dazu, warum eine bundesweite Forschungssoftware-Institution geschaffen werden könnte und sollte, um das Forschungsökosystem in Deutschland zu stärken.
Um seine Wettbewerbsfähigkeit als Forschungs- und Innovationsstandort zu erhalten, muss Deutschland in hochwertige Forschungssoftware investieren und die besten Talente auf diesem Gebiet anziehen.
Dies erfordert eine umfassendere Betrachtung der gesellschaftlichen Rolle von Software. Dazu gehört einerseits die Aufrechterhaltung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Forschung durch die Förderung offener und reproduzierbarer Software. Andererseits muss die Souveränität autonomer, resilienter Forschungseinrichtungen in einem zunehmend digitalen Forschungsökosystem mit exzellenter Forschungssoftware gewährleistet sein.
Die Exzellenz von Forschungssoftware lässt sich anhand technischer Aspekte, wie Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit sowie allgemeinerer Aspekte wie der FAIRness, Offenheit und Nachhaltigkeit der Software charakterisieren. Sicherheitsüberlegungen gehen auch über technische Aspekte hinaus und umfassen die Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit der kritische Forschungsarbeiten unterstützenden Software. Vor diesem Hintergrund muss die Bedeutung reproduzierbarer Forschung, digitaler Souveränität und der Sicherheit essenzieller Forschungssoftware hervorgehoben werden. All dies ist entscheidend für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Forschung im digitalen Zeitalter. Dies kann nur durch soziale und organisatorische Anstrengungen erreicht werden, die oft kooperativer Natur sind. Die Beteiligung Deutschlands an der Entwicklung essenzieller Forschungssoftware, wie beispielsweise dem weit verbreiteten PyTorch-Framework, ist jedoch nicht selbstverständlich. Dieser Umstand wirft beispielhaft die Frage auf, wie viel tatsächlich “made in Germany” ist, was Risiken der Ausgrenzung und Abhängigkeit mit sich bringt.
Außerdem hängt die Attraktivität Deutschlands als Forschungsstandort von der Verfügbarkeit tragfähiger Karrierewege ab. Ohne eine strukturierte Unterstützung für Forschungssoftware-Praktikerinnen und -Praktiker läuft Deutschland Gefahr, talentierte Forscherinnen bzw. Forscher und Software-Expertinnen und -Experten an Länder mit besser etablierten Forschungssoftwareökosystemen zu verlieren. So finden beispielsweise sogenannte “Research Technical Professional”-Rollen im britischen Hochschulsystem zunehmend Akzeptanz. Außerdem hat der digitale Wandel in der Forschung in Verbindung mit der Zunahme interdisziplinärer und groß angelegter Konsortialprojekte zu neuen beruflichen Identitäten geführt, die traditionellen Grenzen, wie beispielsweise die binäre Einteilung des akademischen Personals in “wissenschaftliche” und “technische/administrative” Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter, verwischen. Die fortschreitende Verzahnung von Wissenserzeugung und Forschung, die von exzellenter Software abhängig ist, zeigt die komplexe, hybride Natur moderner Forschungspraktiken. Es ist höchste Zeit, dass deutsche Universitäten und Forschungseinrichtungen die vielfältigen Beiträge zur Exzellenz von Forschungssoftware anerkennen und wertschätzen.
Darüber hinaus macht der zunehmende Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz (KI), insbesondere generativen Modellen, als Werkzeuge in allen Bereichen der Forschung menschliches Fachwissen nicht überflüssig. Unserer Ansicht nach ist das Argument, dass “KI die gesamte Softwareentwicklung in der Forschung übernehmen wird”, nicht stichhaltig. Generative Modelle können zwar bei der Programmierung helfen, wenn die Grundlagen der Softwareentwicklung verstanden werden, es ist jedoch zu beachten, dass der Einsatz von KI-Werkzeugen für die Softwareentwicklung auch Herausforderungen hinsichtlich der Lizenzierung neuer Software oder der Verwendung von Code aus einem Modell mit sich bringen kann. Um Exzellenz von Forschungssoftware zu unterstützen, ist es unerlässlich, über Personen zu verfügen, die ein tiefes Verständnis für das zugrunde liegende Problem und ein spezifisches Wissensinteresse haben. Daher ist menschliches Fachwissen, insbesondere in Form von Personal, das sich mit Forschungssoftwareentwicklung auskennt, unerlässlich, um die Qualität, Passfähigkeit und Integration von KI-generierten Lösungen sicherzustellen. Deutschland sollte diesen Personen die notwendigen Rahmenbedingungen und akademischen Positionen bieten.
Eine nationale Forschungssoftware-Institution könnte die Souveränität und Autonomie der Forschungseinrichtungen in Deutschland sowie Deutschlands Attraktivität als Forschungsstandort stärken, indem sie für bessere Karriereaussichten für Fachleute im Bereich Forschungssoftware wirbt, die über Kenntnisse in Softwareentwicklung und KI-Anwendung verfügen, und gleichzeitig Spitzenleistungen in der Forschungssoftwareentwicklung fördert.
Hier finden sich alle sechs Beiträge in einem Dokument: https://doi.org/10.5281/zenodo.17672125